Geschichte

„An ihm kommt man nicht vorbei“
Von Wolfgang Möller (Dezember 2015)

Gotha. „Das Programm der Gesellschaft wird weitgehend von Vorträgen profilierter Literaturwissenschaftler und Gesprächen mit Experten der regionalen Ebene bestimmt sein“, schrieb „Das Volk“ am 10. Oktober 1985 zur bevorstehenden Gründungsversammlung der Goethe-Gesellschaft in Gotha. Diesem Leitmotiv blieben die rund 30 Goethefreunde unter Vorsitz von Christoph Köhler in den vergangenen drei Jahrzehnten stets treu. So auch im Jahr 2015, als die Vorstandsarbeit in jüngere Hände gelegt wurde.

Am Dienstagabend trafen sich die Mitglieder zum vorweihnachtlichen Jahresausklang im Konferenzzimmer der Universitäts- und Forschungsbibliothek Gotha. Deutschlehrerin Kerstin Sterz moderierte den Abend. Sie ist seit zehn Jahren dabei und wurde im Februar zur neuen Vorsitzenden gewählt. Von der Salzmannschule brachte sie ihre Kollegin Sandra Polcuch nebst achtköpfigem Chor mit. Die Mädchen sangen und spielten aus ihrem weihnachtlichen Repertoire.

Zu den erwähnten Vorträgen und Gesprächen müssen unbedingt die Exkursionen und das gesellige Vereinsleben ergänzt werden, betonte Köhler in seinem Rückblick auf die Vor- und Nachwendezeit der Gesellschaft. Der Altphilologe und Lehrer entdeckte bei der Arbeit seiner Habilitation, dass der Dichterfürst 28 Mal in der Residenzstadt weilte, und so wollte er eine Brücke Weimar – Goethe – Gotha bauen. Im 100. Gründungsjahr der Goethe-Gesellschaft wurde die Gothaer Ortsvereinigung am 15.10.1985 unter dem Dach des Kulturbundes der DDR aus der Taufe gehoben. Finanzielle Sorgen gab es damals nicht, doch so manches Problemchen beim Transport oder bei der Verpflegung während der Exkursionen ließen die Zuhörer verständnisvoll-nostalgisch schmunzeln.

Acht bis zehn Vorträge und eine Tagesexkursion jährlich sowie zahlreiche Theaterbesuche, Gesprächsrunden und weitere Aktivitäten sind die stolze Bilanz des eingetragenen Vereins. Den ersten Vortrag hielt 1985 Lehrerkollege Wolfgang Klug „Zur Metamorphose der Pflanzen“. Ein Höhepunkt unter anderen war „Der Neuanfang mit Goethe 1945“ von Professor Hertzsch. Überhaupt wurde der Genius aus Weimar in all seiner Vielseitigkeit erforscht: als Dichter, als Naturwissenschaftler und als Persönlichkeit – unter anderem Goethe und die Steuerpolitik, die Theologie, die Komponisten, die Kur, die Gretchenfrage…, so dass man an ihm nicht vorbei kommt.

Petra Hartung von der Arnoldi-EOS hatte Sophokles’ „Antigone“ so gut gefallen, dass sie 1986 ihren Lehrer Köhler fragte, ob das Stück nicht einmal aufgeführt werden könnte. Dies geschah dann, unter Regie der Gesellschaft und zwar sehr erfolgreich, im Ekhoftheater und am Landestheater Eisenach. Bedingung war jedoch, dass der Name der Schule nicht erwähnt werden durfte, weil es sich ja um eine „Anti-gone“ handelte. Die Umbruchzeit 1989/90 hinterließ auch in der Goethe-Gesellschaft tiefgreifende Spuren. Nach der ersten Tagung aller deutschen Ortsvereinigungen in Düsseldorf (derzeit sind es 58) führten die Exkursionen nunmehr zu Goethe- und andere kulturhistorische Stätten auch jenseits von Werra und Elbe – die erste in des Dichters Geburtshaus nach Frankfurt am Main

Der ehemalige Präsident der Goethe-Gesellschaft Weimar Professor Hahn nannte Christoph Köhler – der, der einen weißen Fleck in der Goetheforschung getilgt hatte – „einen engagierten Spiritus rectus, einen Pädagogen aus Leidenschaft“. Zum 20. Jahrestag der Gothaer Ortsvereinigung suchte Köhler einen jüngeren Nachfolger. Zehn Jahre später ist es gelungen. Und der potentielle Nachwuchs in Person der Chormitglieder lässt auf das leidige Thema der Vereinsverjüngung hoffen. Sie sangen zum Abschluss des gelungenen Abends ein Weihnachtslied, das aktueller nicht sein kann: „Sind die Lichter angezündet, Freude zieht in jeden Raum. … Jedes Kind soll Freude haben, jedes Kind in jedem Land. … Leuchte Licht mit hellem Schein! Überall, überall soll Friede sein.